Während laut einer Umfrage von ZDF-Politbarometer inzwischen 80 Prozent der Deutschen das Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen als ungerechtfertigt kritisiert und nur noch 12 Prozent als angemessen beurteilt, verweigert der deutsche Kanzler Merz die Zustimmung zum Gaza-Appell, der von 28 Staaten unterzeichnet wurde (z. B. von Großbritannien, Frankreich, Kanada und Japan), und der genau diese Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung deutlich zur Sprache bringt. In ihrem Kommentar auf rnd.de vom 22. Juli 2025 kritisiert Daniela Vates die Ablehnung von Merz:
> Es ist verständlich, so ein Telefonat nochmal abwarten zu wollen, bevor eine Erklärung unterzeichnet wird – um sich auch nicht das klitzekleinste Fensterchen der Gelegenheit zu verbauen, doch einmal durchzudringen.
Nun aber spricht nichts dagegen, sich der Erklärung noch anzuschließen, die die deutsche Regierung inhaltlich ja teilt und die Israels Regierung wie die Hamas in die Pflicht nimmt. Es wäre sogar gut, auch in dieser Angelegenheit auf internationale Gemeinsamkeit zu setzen. <<
Nils Markwardt bringt in seiner Analyse auf www.zeit.de vom 23. Juli 2025 die drei tatsächlichen Faktoren auf den Punkt, die Merz an der Zustimmung des Gaza-Appells hindern: „innenpolitische Fragen, verfehlte Solidarität und ein blinder Fleck.“ In seinen Ausführungen erläutert er die Beweggründe von Merz, die hinter diesen Faktoren stehen (Auszüge):
> Es ist eher links konnotiert, auf das Leid in Gaza hinzuweisen. Und man ist eher konservativ im Sinne des deutschen erinnerungspolitischen Mainstreams, wenn man das Existenzrecht Israels in den Vordergrund stellt. Aus dieser simplen Zwangslage kann sich ein konservativer deutscher Kanzler nur vorsichtig befreien. (…) Die Konsequenz ist nun allerdings, dass die Nichtunterzeichnung wie eine Relativierung zur Unzeit wirkt. (…)
Ein zweiter Faktor, der in dieser Entscheidung eine zentrale Rolle gespielt haben dürfte, ist, dass die Bundesrepublik nach wie vor nicht stark genug zwischen der Solidarität mit Israel und der Unterstützung der israelischen Regierung differenziert. (…) Nun ist es realpolitisch nicht so einfach, zwischen der Solidarität mit einem Land und der Solidarität mit seiner demokratisch gewählten Regierung klar zu unterscheiden. Schließlich repräsentiert Letztere eben das Erstere. Dennoch ist es nicht unmöglich. Es beginnt schon mit der Sprache. Der Appell der 28 Staaten zur Beendigung des Gaza-Krieges richtet sich beispielsweise fast durchgehend an die israelische Regierung, nicht an Israel. (…)
So nachvollziehbar [das] Selbstverständnis des israelischen Staates und aller seiner Regierungen ist, wonach militärische Stärke überlebenswichtig ist, besitzt es jedoch auch einen blinden Fleck. Und dass dieser von Bundeskanzler Merz nicht erkannt wird, ist ein dritter Faktor, der in der verweigerten Unterstützung des Appells der 28 Staaten eine Rolle spielt. Denn gerade wenn man die grundsätzlichen Sicherheitsinteressen Israels ernst nimmt, darf man nicht vergessen, dass militärische Stärke allein nie ausreichend Sicherheit garantieren kann. Die entsteht eben nicht nur durch hard power, sondern ganz entscheidend durch soft power. <<
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https://www.zeit.de/kultur/2025-07/gaza-resolution-friedrich-merz-unterschrift-bundesregierung-israel